Die Trends bei dieser Bürgerschaftswahl sind im Wesentlichen dieselben wie bei den anderen Landtagswahlen der vergangenen zwei Jahre – sie führen nur zu einem völlig anderen Ergebnis. In Hamburg gibt es weiterhin stabile Verhältnisse, weil die SPD zwar auch deutlich Federn lassen muss, aber dies auf hohem Niveau. Ein starker Spitzenkandidat bewahrt sie vor einem Sturz ins Bodenlose. Der grüne Koalitionspartner wird im Gegenzug deutlich gestärkt, so dass der rot-grüne Senat per Saldo seine Arbeit mit noch größerer Mehrheit fortsetzen kann als bisher. Insofern ist Hamburg ein Fels in der politischen Brandung. In acht Bundesländern gibt es mittlerweile Dreierbeziehungen in der Regierung oder es reicht, wie in Thüringen, noch nicht mal dafür. In Hamburg hingegen baut die letzte verbliebene rot-grüne Koalition auf Landesebene ihre Mehrheit aus und bewegt sich je nach Abschneiden der kleineren Parteien sogar um die Zweidrittelmehrheit herum.
Acht Mal wurde nun seit der Bundestagswahl gewählt, sieben Mal in Bundesländern und ein Mal das Europäische Parlament. Und jeweils sieben Mal gab es für Union und SPD teils deutliche Verluste. Mehrfach waren die Ergebnisse, wie jetzt für CDU und SPD in Thüringen, historische Tiefpunkte im jeweiligen Wahlgebiet.
In Sachsen und in Brandenburg müssen wir uns heute Abend darauf einstellen, dass rechtliche Besonderheiten über Mehrheiten entscheiden können. In Sachsen spielt dabei die Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs über die AfD-Liste möglicherweise eine entscheidende Rolle. Weil der Parteitag unterbrochen und das Wahlverfahren geändert worden war, hatten die Richter die Landesliste der AfD nur bis Platz 30 zugelassen.
Was sich bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen schon andeutete, setzt sich jetzt auf Bundesebene fort. Die Grünen haben das Thema der Stunde und rückten gleich im doppelten Sinne in die Mitte. Zum einen gelingt es ihnen sich von der Größe her zwischen Union und SPD zu positionieren. Mit ihren gut 20 Prozent haben sie praktisch die Stärke der bundesweiten CDU (ohne die CSU). Und nach unten ist der Abstand zu den Sozialdemokraten deutlich. Sie rücken aber auch politisch aus dem Lager heraus in die Mitte. Wie schon in Hessen und Bayern, gelingt es ihnen maßgeblich Wählerinnen und Wähler der Union zu gewinnen. Unsere Wählerwanderung, die die Bewegungen seit der letzten Bundestagswahl beschreibt, zeigt, dass die Grünen aus dem gleichen Umfang von SPD und Union gewinnen: 1,3 und 1,1 Millionen Stimmen.
Die SPD erzielt nicht nur ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl überhaupt, auch ihre Kompetenzwerte haben ein neues Tief erreicht. Auf dem Kernfeld der Partei, dem der sozialen Gerechtigkeit, trauen ihr gerade noch 29 Prozent der Befragten das meiste zu. Bei der Schröder-Wahl 1998 waren es 54 Prozent. Und selbst bei der letzten Europawahl vor fünf Jahren waren es 41 Prozent. Unsere Befragungen zeigen, dass die SPD als profillos wahrgenommen wird. 62 Prozent können nicht mehr erkennen wo die Partei steht. Und dass die Erneuerung unter Andrea Nahles gut voran kommt, glauben gerade noch 28 Prozent des verbliebenen harten Kerns der Anhänger. Vor fünf Jahren, kurz nach dem Start der neuerlichen Großen Koalition, wurde der SPD zumindest zugestanden, ihre Positionen in der Bundesregierung durchzusetzen. Mindestlohn oder die Rente mit 63 standen damals dafür. Dass die SPD dies auch in der neuerlichen Koalition durchaus schafft, nimmt das Wahlpublikum heute nicht mehr wahr. Bitter: Gerade noch sieben Prozent glauben, dass die SPD die Partei ist, die „die besten Antworten auf die Fragen der Zukunft“ hat. Die Alterspyramide der SPD-Wähler/innen ist das Spiegelbild der Grünen. Gerade noch acht Prozent bei den 18- bis 24-Jährigen, nur bei den über 70-Jährigen steigt der Stimmanteil über 20 Prozent.
Normalerweise sind wir mit Serien in den Tagesthemen sehr zurückhaltend. In der Regel startet man euphorisch, doch dann kommt die erste breaking-news-Situation und wir schmeißen die Planungen über Bord.
Mit der Serie #lösungsfinder war es anders. Trotz vieler sogenannter „aktueller Nachrichtenlagen“.
Die anfängliche Skepsis ist gewichen und stattdessen herrschte rückblickend auf die vergangenen zwei Wochen große Zufriedenheit. Natürlich mit den Beiträgen und auch der Resonanz auf die Reportagen.
Viele haben uns ermutigt, weitere Lösungsfinder zu suchen.
Und auch wir haben etwas gelernt:
Dass man als Unternehmen, das Seife spendet, steuerlich schlechter gestellt wird als wenn man die Seife wegschmeißt.
Dass man aus drei Geschossen mit geringem Aufwand durchaus fünf Geschosse machen kann.
Dass bei Hebammenmangel eine GmbH die Lösung sein kann.
Für die Tagesthemen war es ein Experiment. „Solutionsjournalism“ heißt der Trend, der derzeit vor allem in den USA an Fahrt aufnimmt. Ziel ist es, für ein gesellschaftlich relevantes Problem eine Lösung zu finden, die es bereits gibt und die sich bewährt hat. Also keinen theoretischen Plan, keine Idee, sondern Praxis. Es geht nicht darum, die Welt rosarot zu malen, sondern auch die Nachteile einer Lösung aufzuzeigen. Lösungsorientierter Journalismus verlangt viel Recherche, um nicht in eine PR-Falle zu laufen.
Wir haben nach Antworten gesucht und ganz respektable gefunden. Wer noch einmal schauen will, kann das hier bei tagesschau.de/loesungsfinder
Oder heute Abend in den Tagesthemen, 22.15 Uhr, im Ersten.
Vor allem haben wir uns über die Kommentare gefreut, die über unsere Social-Media-Kanäle kamen. „Cool. Besser als immer nur rummeckern.“ Oder: „Tolle Idee von Euch!“.
Wir finden, dass die Sendungen gewonnen haben, weil wir nicht nur über Missstände und Skandale berichtet haben, sondern auch über Lösungen. Denn auch die gehören zu unserem Alltag. Wir wollen das ganze Bild zeigen.
Deshalb werden wir die Serie fortsetzen. Mindestens einmal im Monat wollen wir Lösungen zeigen, die bisher ohne große Aufmerksamkeit ausgekommen sind. Aber genau auf diese wollen wir künftig häufiger unsere Scheinwerfer richten.