Von Tamara Anthony
Seit einer Woche bin ich nun zuhause in Quarantäne. Eine neue Phase in der Corona-Berichterstattung. Begonnen hat sie für uns Anfang Januar. Seitdem hat sich viel verändert. In den vergangenen zwei Monaten brach für unsere chinesischen Kollegen ihre Heimat zusammen, jetzt macht für uns der sichere Hafen Deutschland dicht. An uns nagen zwei Monate Lockdown, jetzt die Sorge um die Verwandten im fernen Deutschland und das Leben in eingeschränkten Verhältnissen hier. Die Schikanen gegen westliche Journalisten haben in den vergangenen Monaten zugenommen, einige wurden sogar ausgewiesen. Eine Umfrage hierzu des Foreign Correspondent Club China ist erschreckend.

Tamara Anthony in Quarantäne. Vertonung unter der Bettdecke Bild: ARD Peking
An uns nagen zwei Monate Lockdown
Mal durchatmen in Deutschland ist jetzt aber unmöglich. (Erschwingliche) Flüge gibt es fast nicht mehr, Freunde meiden Besuch aus China. Welchen Druck der chinesischen Regierung unsere lokalen Mitarbeiter wegen ihrer Arbeit für das ARD Studio aushalten, können wir nur erahnen.
Als Team sind wir enger zusammen gerückt. Jeder hat nun neue Aufgaben übernommen, die teilweise überlebenswichtig sind: Kollegin Birka gibt jeden Abend bei uns im Büro Pilates-Unterricht. Nils hat noch vor den Anrufen der ganzen Welt Schutzmaterial organisiert, unser “Mann-für-Alles” findet auch dann einen Fahrer, wenn uns sonst aus Angst vor dem Virus niemand abholen will. Ingo muss jeden Tag neue Umgehungen der Great Firewall basteln – manchmal würde man sich ja gerne bei Netflix entspannen…
Als Team sind wir enger zusammen gerückt
Schon seit Januar arbeiten wir, soweit möglich, im Home-Office. Peking dürfen wir nicht verlassen bzw. müssen dann im neuen Ort und bei Rückkehr in 14-tägige Quarantäne. Wie die Quarantäne aussieht, ändert sich alle paar Tage – auch, für welche Länder sie gilt. Ich darf nun 14 Tage meine Wohnung nicht verlassen. Daniel wohnt für 14 Tage im Büro, weil seine Familie ihn nicht treffen darf, auch sie sind in häuslicher Quarantäne.
Arbeiten von unterschiedlichen Orten ist das geringste Problem. Wir machen Konferenzen per Video-Schalte und haben “remote” – ich in Quarantäne, Katrin im Schnitt – zwei Tagesschauen aus Agenturmaterial produziert. So zum Beispiel unseren Bericht aus Anlass des Abebbens der Krise und über den Versuch der chinesischen Regierung, Zweifel zu säen über den Ursprungsort des Virus. Daniel, Nils und Ingo können derzeit drehen,sie haben eine Mittelstandsfamilie begleitet, die nach zwei Monaten in freiwilliger Quarantäne nun wieder nach draußen geht. Da wir nicht außerhalb Pekings drehen können, hat unser Hörfunk-Kollege aus Shanghai, Steffen Wurzel, per Handy zugeliefert, wie in der Industrieregion wieder die Produktion in Gang kommt. Wir haben noch nie so viel für Social produziert. Für uns ist Corona ein Crossmedia Boost.
Vielleicht kehrt bald Alltag ein
In der Welt überstürzen sich gerade die Ereignisse. Haben wir zu Beginn verharmlost? Waren wir in der Berichterstattung zu kritisch gegenüber dem System? Glauben wir jetzt zu schnell Erfolgen? Das alles haben wir nicht getan. Wir waren immer bemüht, so dicht wie möglich an den Geschehnissen zu sein und den richtigen Ton zu finden. Im Volontariat lernt man, dass alle Erzählungen bestimmten Mustern folgen. Das sind Muster, die wir schon aus dem Märchen kennen. Im Januar war es die Allegorie von einem exotischen Volk, das wilde Tiere isst – und daran stirbt. Im Februar vom allumfassenden Herrscher, der überall durchgreift. Anfang März waren wir die Projektion für Überlebensphantasien in einem Horrorfilm. Jetzt soll es das Ende des Tunnels sein – China, der Lichtblick.
Vielleicht stimmen hier die Zahlen und die Infektionen gehen zurück, vielleicht kehrt bald Alltag ein, aber die Corona-Krise hat das Leben für Journalisten wahrlich nicht einfacher gemacht.
Ihr Kommentar
Die Kommentare zu diesem Beitrag wurden geschlossen