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ARD-aktuell Chefredaktion

21. Februar 2020

Zum Begriff Fremdenfeindlichkeit

An einem Tag wie gestern, der auch an routinierten Nachrichtenmacher*innen nicht spurlos vorbeigeht, muss man – so zynisch es klingen mag – nach einem Moment des Innehaltens anfangen zu arbeiten.
Konzentriert, schnell, hochprofessionell. So wie man das von der tagesschau auf allen Ausspielwegen erwartet.
Es gibt Sondersendungen im Fernsehen, Live-Blogs bei tagesschau.de und schnelle Zitate von Politiker*innen bis zu Expert*innen, die korrekt wiedergegeben werden müssen.
In diesen Phasen kommt es manchmal vor, dass die Zeit zum Diskutieren zu kurz ist.
Aufmerksame Leser*innen und Zuschauer*innen aber fällt das auf.
Gestern war so ein Tag. Es gab in der öffentlichen Debatte eine Verselbstständigung des Begriffs Fremdenfeindlichkeit. Es gab Politiker, die diesen Begriff sehr schnell verwendet haben und entsprechend zitiert werden müssen.
Wir bei der tagesschau haben dafür feste Regeln: „Fremdenfeindlich motiviert ist eine Tat, wenn sie gegen eine am Tatort fremde Person verübt wurde, beispielsweise einen Touristen oder kürzlich Zugezogenen. Dies können sowohl deutsche als auch ausländische Personen sein.“
Zum Teil war es und ist es so, dass fremdenfeindlich auch als vermeintliches Synonym für rassistisch verwendet wurde und wird. Dies geschieht beispielsweise dann, wenn der Begriff rassistisch als zu stark empfunden wird. Rassistische Taten sollten aber auch so benannt werden.
Die unglaubliche Tat von Hanau war rassistisch. Punkt. Da gibt es keine Zweifel.
An so einem Tag – gerade an so einem Tag wie gestern mit einer so schlimmen Tat – muss unsere Sprache korrekt sein und wir müssen klar sagen, was ist.

15 Kommentare

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1: Steffen:

21. Februar 2020 um 15:04 Uhr

Vielen Dank für die Klarstellung. Den eigenen Fehler als solchen benannt und für die Zukunft (hoffentlich) dazugelernt: Macht weiter so! Auch die Verwendung geschlechtergerechter Sprache fällt hier positiv auf. Nutzt die gerne auch an anderer Stelle konsequenter.

2: Sybille:

21. Februar 2020 um 15:16 Uhr

Danke für diese wichtige Klarstellung. Die richtigen Worte zu wählen ist wichtig, denn Worte zeigen Wirkung.

3: Emil:

21. Februar 2020 um 15:49 Uhr

Das Problem am Begriff „Fremdenfeindlichkeit“ ist doch, dass er suggeriert, dass es sich bei den Opfern um „Fremde“ handelt, die hier nicht heimisch sind. Das wiederum sieht man aber den Opfern ja nicht an. So werden Migrant*innen der 2. oder 3. Generation, die z.B. in Hanau aufgewachsen sind urplötzlich zu Fremden. Weiße Menschen, egal ob aus Deutschland oder nicht, würden gar nicht erst in das Raster „fremd“ fallen.

4: Hans Wurst:

21. Februar 2020 um 15:53 Uhr

Da so sehr auf Sprache geachtet wird:
Im folgenden Satz fehlt das Binnen-*:
"Es gab Politiker, die diesen Begriff sehr schnell verwendet haben und entsprechend zitiert werden müssen."

5: Jens Schelle:

21. Februar 2020 um 16:22 Uhr

Inahltlich völlig korrekt.
Bermerkung am Rande:
nur die Sternchen*innen nerven.

(Da diese Bemerkung dann nicht ins politische Mainstreamraster fällt wird höchstwahrscheinlich nicht veröffentlicht, vulgo Zensur.)

6: Dennis K.:

21. Februar 2020 um 17:15 Uhr

Allgemein stimme Ich Ihnen zu – allerdings ist das Thema recht komplex und man kann lange über die richtige Bezeichnung debattieren.

Fremdenfeindlichkeit? Genau genommen sind die Opfer nicht "fremd", jedoch werden sie vom Täter als "fremd" empfunden – und darum geht es letztlich.

Xenophobie? Impliziert, dass es sich um eine Angst handle. Aber aus Angst wächst leider regelmäßig Ablehnung ("Was der Bauer nicht kennt…").

Rassismus? Auch problematisch, da es sich streng genommen nicht um eine Rassen-Frage handelt. Der Begriff der Rasse ist daher auch nicht unproblematisch.

Meines Erachtens trifft der allgemeine Begriff "Rechtsextrem" es noch am besten – warum also nicht von einer rechtsextrem motivierten Tat sprechen?

Die Tagesschau tut gut daran, über ihre Wortwahl nachzudenken – aber so lange sie z.B. noch unreflektierte Begriffe wie "Raubkopie" nutzen (wie zuletzt in einem Artikel vom 20.02.2019) erscheint es mir, als habe die Tagesschau hier noch einiges an Nachholbedarf…

7: Torborg:

21. Februar 2020 um 17:58 Uhr

Der Begriff Rassismus legt die Existenz von (Menschen-)Rassen nahe und ist schon deswegen bedenklich. Wenn nun der Rat der Muslime nun von "antimuslimischen Rassismus" spricht, ist ebenfalls erkennbar, dass der Begriff, der keine religiöse Dimension hat, hier nicht ganz passt.
Fremdenfeindlichkeit ist daher treffender.

8: Vernunftundmut:

21. Februar 2020 um 18:04 Uhr

Die Tat war rassistisch.

Und die Spitzen der Partei mit Faschisten in Ihrer Mitte sind es auch:
– Die Fraktionsvorsitzende dieser Partei diffamiert Kopftuchträger als Kriminelle indem Sie diese mit Messerstechern in einer Reihe nennt.
– Der Fraktionsvorsitzende diffamiert südländisch aussehende Menschen in seiner Chemnitz Rede als Kriminelle.
Nebenbei beleidigen sie noch meine deutsche Großmutter, die wie viele in ihrer Generation ein Kopftuch trugen.

Sie sind das Gift von Hass und Hetze in unserer Gesellschaft. Alle Wähler und Parteianhänger dieser Partei, die dies billigend in Kauf nehmen, machen sich mitschuldig.

9: Ingo Schneider:

21. Februar 2020 um 18:13 Uhr

Sehr geehrter Herr Bornheim!
Sie erkären den Begriff "Fremdenfeindlichkeit" verständlich und verwenden sofort den anderen ebenso erklärungsbedürftigen Begriff "Rassismus". Wird aus Fremdenfeindlichkeit Rassismus wenn es ausschließlich um ausländischen Mitmenschen geht, oder um Islamangehörige, oder wenn die Anzahl der Toten hoch ist, oder, oder oder ….? Erklären Sie doch bitte auch, wie und in welchen Fällen der Begriff Rassismus in ihrer Redaktion verwendet wird.
MfG
Ingo Schneider

10: Hinterdiefichte:

21. Februar 2020 um 18:15 Uhr

Ja, Sie müssen klar sagen was ist, das haben Sie aber nicht! Der Täter handelte im Wahn, war psychisch sehr krank. Das kam bei Ihnen gestern gar nicht vor.

11: Frühling:

22. Februar 2020 um 20:30 Uhr

Es ist gut und schön und richtig, die Dinge beim Namen zu nennen und eine Definition zu finden, um was es sich handelt. Aber sollten wir, statt uns darauf zu beschränken, nicht lieber darauf hinarbeiten, präventiv zu handeln, den Blick für das so notwendige zu schärfen, unsere Sinne zu nutzen, den gesunden Menschenverstand einzusetzen, und die Worte: Mitgefühl, Akzeptanz, freundlichen Umgang miteinander, Zivilcourage und das Wort Demokratie zu definieren und danach zu leben?
Was(in)diesem Land droht, ist schon einmal -und zwar einmal zuviel- passiert! Wehret den Anfängen!!!

12: Jørn Hajek:

24. Februar 2020 um 10:57 Uhr

Das hat aber nichts mit der deutschen Definition von "rassistisch" zu tun. Diese beinhaltet im Gegensatz zu vielen anderen Sprachen nicht den Hass auf andere, sondern "nur" die Rassenlehre.

https://www.duden.de/rechtschreibung/rassistisch

https://www.duden.de/rechtschreibung/Rassismus#Bedeutung-2

13: BV:

24. Februar 2020 um 14:01 Uhr

Die Definition von Fremdenfeindlichkeit erschließt sich mir nicht. Muss die Tat sich denn nicht wenigstens bewusst gegen die Fremdheit des Opfers richten? Wenn ein Münchener einen Hamburger Touristen angreift/ausraubt, ohne von dessen Herkunft zu wissen, ist das bereits fremdenfeindlich? Was wenn ein Fremer selbst den (in München) Fremden angreift? Was jemand mit fremdländischen Aussehen genau deshalb angegriffen wird, es sich jedoch um einen Geburtsmünchener handelt? Das wäre dann das keine fremdenfeindlich motivierte Tat? Entweder verstehe ich es nicht oder es ist nicht zuende gedacht.

14: Markus:

24. Februar 2020 um 17:42 Uhr

Zwar nur aber immerhin aus Wikipedia:
"Die Einteilung der Spezies Mensch in Rassen oder Unterarten ist aus wissenschaftlicher Sicht heute obsolet"
Mit dem Begriff Rasse und rassistisch fällt mir immer sofort die Rassenlehre Hitlers ein, und mit dem inflationären Verwenden des Wortes Rassismus erhält diese "Lehre" eine Substanz, die es nicht gibt. Die Menschheit besteht aus Ethnien, nicht aus Rassen. Ich bitte das zu berücksichtigen.
Gruß Markus

15: Markus:

24. Februar 2020 um 18:30 Uhr

P.s.: Ich bezeichne meine polnischen Nachbarn nicht als Rasse, nur wenn diese Nachbarn überfallen werden sind sie plötzlich eine Rasse. Das finde ich widersprüchlich. Den Begriff Fremdenfeindlichkeit oder -hass finde ich deutlicher, als Zeichen der Ablehnung von etwas (Aussehen, Sprache, Verhalten), das dem Hassenden so fremd ist, daß es nicht in sein Weltbild passt.
Gruß Markus

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